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Gerät - Personen - Gruppen - Zündergruppen im Ministerium f. Landmaschinenbau
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Arbeiten für Moskau

Von Georg Künzler – „Zündergruppe“ in Schelesnodoroschnaja

Nachdem in der Weihnachtswoche 1946 die Zeichenbretter und die Schreibtische aus Sömmerda eingetroffen waren, wurden wir „Spezialisten“ aufgefordert, in den Betrieb (Sawod No. 804) zu kommen, welcher sich in der Nähe unserer Unterkunft befand und in etwa 4 min. zu erreichen war. Dort empfing uns der stellvertretende Direktor Aristow mit Namen. Wir kannten ihn ja schon, wohnte er doch mit uns im gleichen Hause. Auf uns machte er keinen vertrauenserweckenden Eindruck – für ihn waren wir wohl verhasste Feinde. Über eine Dolmetscherin erklärte er uns, was man von uns erwartete und auch organisatorische Fragen.
Zu unseren Gruppenleiter wurde Josef Watzula ernannt, zweifellos eine gute Wahl.
Wir wurden dann in die Räume geführt, die man für uns frei gemacht hatte. Es war ebenerdig ein großer Raum, wo man unsere Büromöbel abgestellt hatte und zwei kleinere Nebenräume. Nach unseren Gesichtspunkten wurden sogleich von uns die Räume möbliert. Es wurde ein Konstruktionsbüro mit annehmbaren Arbeitsbedingungen. Johannes Lipka und Gottfried Göhler, die keine Konstrukteure waren, wurden in den beiden kleineren Räumen untergebracht.
Für unsere Entwurf- und Entwicklungsaufgaben war ein dicker, stämmiger Russe zuständig – er hieß Medlin. Auf unsere Arbeit hat er wenig Einfluss genommen, sicher fehlten ihm hierzu auch die Kenntnisse. Er war gewissermaßen nur der Verbindungsmann zwischen uns und dem Ministerium. In gewissen Abständen hatte er an diese Stelle über unsere Arbeitsergebnisse zu berichten. Da er hierzu nicht in der Lage war, musste unser Gruppenleiter dies für ihn tun – mit dem Hinweis: „Viel Wasser“! Nach der Übersetzung ins Russische wurde der Bericht dann eingereicht.
Unserer Gruppe wurden Konstruktionsaufgaben gestellt, die unseren Tätigkeiten während des Krieges entsprachen:
1. Nachbau eines elektromagnetischen Zünders für kleine Fliegerbomben, wie sie bei „uns in Deutschland“ zum Einsatz kamen, unter der Berücksichtigung der russischen Normen und Einbaumaße.
2. Nachbau eines elektrischen Geschosszünders, wie er für die Flugabwehr gedacht war, aber im Kriege noch nicht zum Einsatz kam, weil die Entwicklung noch nicht abgeschlossen war (Zündenergie wird in einem Kondensator gespeichert, der beim Abschuss aufgeladen wird.).

Der Anfang war für uns nicht leicht. Außer Johannes Lipka, welcher in Oberschlesien gelebt hatte und polnisch sprach, verstand und sprach keiner von uns russisch. Die kyrillische Schrift war uns fremd. Wir bekamen OST- und GOST-Normen, die wir studieren und anwenden mussten. Bei den Normen glaubten wir, dass dabei die deutschen DIN-Normen Pate gestanden haben, denn sie unterschieden sich nur unwesentlich voneinander.
Für alle Objekte mussten Versuchsmuster angefertigt und erprobt werden, d.h. für sämtliche Einzelteile mussten die erforderlichen Vorrichtungen, Press- und Spritzwerkzeuge entworfen und konstruiert werden. Die Einzelteile wurden uns dann angeliefert und von uns montiert. Zur Erprobung – auf militärischem Gelände – waren wir nicht zugelassen. Die Reise dorthin war immer die große Zeit für Herrn Medlin! Ob wir immer von dem Ausgang der Versuche erfuhren, ist mir entfallen. Ich denke, dass wir die Aufgaben zur Zufriedenheit für den Auftraggeber gelöst haben.
Gewissermaßen als Füllarbeit hatten wir die Unterlagen für einen elektrischen Schalter, wie er bei Elektroherden gebraucht wird, nach einem Muster zu erstellen Auch hier waren sämtliche Presswerkzeuge und Vorrichtungen für die Einzelteile zu entwerfen/konstruieren.
Unsere Arbeitszeit betrug 48 h in der Woche. Auch an den Sonnabenden sollte voll gearbeitet werden. Durch eine Übereinkunft mit dem Betriebsleiter erreichte unser Gruppenleiter, dass wir am Wochenende nur bis 14:00 Uhr arbeiten und die fehlende Zeit an den anderen Tagen vorarbeiten. Es war ein Vorteil, dass Arbeitsstelle und Wohnung so dicht beieinander lagen, so konnten wir mittags nach Hause gehen.
Der 30. Oktober 1950 war für uns ein Tag der Freude und Erleichterung! Wir hatten an diesem Tage unsere Arbeit gerade aufgenommen, da wurden wir alle zum Werksdirektor gerufen. Dieser teilte uns in kurzen Worten mit, dass mit diesem Augenblick unsere Tätigkeit abgeschlossen ist und dass wir in die Heimat fahren können! Wie uns bei dieser Nachricht zumute war, kann man sich denken.
Unseren Arbeitsraum durften wir von diesem Augenblick an nicht mehr betreten. Unserem Gruppenführer, Herrn Joseph Watzula, mussten wir eine Liste über unsere privaten Arbeitsmittel (Reißzeug, Lineal, Bücher) und Kleidungsstücke geben und dieser hat es eingesammelt uns übergeben.
Die Bereitstellung der benötigten Transportmittel und andere Schwierigkeiten verzögerte dann noch unsere Heimfahrt bis Anfang Dezember 1950.

 

Mitgebrachte Arbeitsunterlagen durften die Deutschen verwenden und diese auch wieder mit in die Heimat nehmen: Auch dieses Taschenbuch.