„Zündergruppen“ im Ministerium für Landmaschinenbau
(27 Personen + Familienangehörige)
Beim Ministerium für Landmaschinenbau versteckte
sich eine wenig beachtete Gruppe: Die Zünderspezialisten
in Form zweier „Kollektive“, die unmittelbar den Raketenspezialisten
zuzurechnen sind. Schließlich benötigt jeder Sprengkopf
einen Zünder.
1. Zündergruppe in Schelesnodoroschnaja
Diese Gruppe
arbeitete zwischen Juni 1945 und dem Abtransport im Oktober 1946
im Werksgelände des ehemaligen „Rheinmetall-Borsig“,
Weißenseer Straße in Sömmerda, als Teil des Werk
I der „Zentralwerke“.
Aus den Tagebuchaufzeichnungen und späteren
Informationen der Familie
Künzler ist folgendes über ihre Reise nach Moskau
zu entnehmen, worin man auch Querverbindungen zu andere Gruppen
entnehmen kann:
23.10.46 Abfahrt von Rastenburg, Mitreisende Familie Nehrkorn (später
zugehörig zur
„Gröttrup-Gruppe“ – im Ministerium für
Bewaffnung).
01.11.46 Ankunft in Putilowo, ca. 30 km nördlich von Moskau.
Putilowo war ein Dorf mit kleinen Holzhäusern in der Mehrzahl.
Davon abweichend waren zwei große, dreietagige Steinhäuser,
in denen die Ankömmlinge untergebracht wurden, und einige mehretagige
Holzhäuser, in denen Russen wohnten. Der gesamte Ort war mit
einem 2,50 m hohen Bretterzaun umgeben. Über zwei bewachte
Ein- und Ausgänge konnte man den Ort verlassen. Im Dorf endete
eine Schmalspurbahn mit Lokschuppen und Werkstatt. Die Bahn wurde
nur für Holztransporte genutzt.
Von der nächstgrößeren Ortschaft Polygon konnte
man mit dem Autobus nach Puschkin und von dort mit der elektrischen
Schnellbahn nach Sagorsk zum Markt fahren.
In Putilowo treffen ein: Familie Frank (Ehepaar mit zwei Töchtern),
eine Familie aus Wittenberg (Firma WASAG), eine aus Berlin, ein
alter Rheinmetaller Herr Auler mit Frau, Familie Schadt aus Sömmerda,
Familie Watzula aus Dresden. Insgesamt sind es 22 Familien, die
befürchten, nach Leningrad weiter transportiert zu werden.
30.11.46 Blitzartiger Aufbruch der Familien Künzler, Lipka
und Kunz nach Schelesnodoroschnaja in ein Backsteinhaus. Dort warten
schon die Familien Opitz, Glass, Schönfeld, Göhler, Thannscheidt
und Gladitz, die in Bakowka Zwischenstopp hatten.
Die Gruppe wurde östlich von Moskau in Schelesnodoroschnaja
untergebracht. Das ist eine Bahnstation an der Strecke Moskau –
Kursk und gleichzeitig damals Endstation der elektrischen Vorortbahn
(„Kursker Wartesaal“), verantwortlich das Landmaschinenbau-Ministerium.
In der Weihnachtswoche 1946 kamen die Zeichenbretter und die Schreibtische
im Moskauer Werk 804 in der Nähe ihrer Unterkunft an und es
begannen die Arbeiten. Der „alte Chef“ aus Sömmerda,
der russische Offizier Rosenberg, trifft am 27.12.46 ein.
Am 02.01.47 treffen die Brüder Watzula mit Familien aus Putilowo
ein.
Mitte Januar „Sondierungsfahrten“ zu Herrn Rilitzki
zur 2. Zündergruppe in Sofrina.
Den 11 Spezialisten (mit Familienangehörige
32 Personen), zum Gruppenleiter ernannte man Josef Watzula, wurden
Konstruktionsaufgaben gestellt, die im Prinzip auch ihren Tätigkeiten
während des Krieges entsprachen:
1) Nachbau eines elektomagnetischen Zünders unter Berücksichtigung
russischer Normen,
2) Nachbau eines elektrischen Geschosszünders für die
Flugabwehr, als Weiterführung einer begonnenen Entwicklung
während des Krieges (Zündenergie wird in einem Kondensator
gespeichert, der beim Abschuss aufgeladen wird.).
Neben dem Erlernen der kyrillischen Schrift, galt es russische Technikbegriffe
zu verstehen, fremde Konstruktionsregeln zu beachten und die OST-
und GOST-Normen anzuwenden. Für alle Objekte mussten Versuchsmuster
gefertigt und erprobt werden. Für sämtliche Einzelteile
entwarfen sie die erforderlichen Vorrichtungen, konstruierten die
notwendigen Press- und Spritzwerkzeuge. Später lieferte man
sogar Teile aus der 0-Serie an und sie montierten die Zünder,
gaben Änderungen an und erstellten einen Zusammenbauplan. Zum
Testen wurden sie aber nicht zugelassen.
Scheinbar waren ihre Dienstherren zufrieden - am 30. Oktober 1950
erhielten Sie die Mitteilung, dass sie bis Ende des Jahres nach
Hause dürfen, was dann auch geschah.
Hier ist mehr über einen „Zünderspezialisten“,
Georg
Künzler und seine Erlebnisse
nachzulesen.
2. Zündergruppe in Sofrina
Nach Information von Herrn Uhl („Stalins V2“) konnte
eine 2. Zündergruppe verifiziert werden, die sich schon aus
o.g. Informationen andeutete. In einem Schreiben, gefunden in russischen
Archiven, heißt es u.a.: Von den 16 deutschen Spezialisten
im KB Nr. 3 des Ministeriums das Landmaschinenbaus können 7
nicht verwendet werden, da sie keine Erfahrung auf dem Gebiet des
Raketenbaus hätten:
Hans Racket (ehemals WASAG),
Helmut Heide (Stellv. Chef der Planungsabteilung im Zünderwerk
Wittenberg),
Wilhelm Eisenkrämer,
Eugen Saiger (Wittenberg),
Hugo Pojkert,
Artur Frank,
Rudolf Oswald.
Diese 16 Personen rekrutierten sich generell aus dem „Institut
Berlin“.
Der Aufgabenbereich lag bei den reaktiven Panzerwaffen (Panzerfaust,
Rotkäppchen), besonderen Geschossen (Trommsdorff), Flugabwehrraketen
(Rheintochter) und Luft-Luft-Raketen.
In Verbindung mit den 11 Zünderleuten
aus den „Zentralwerken“ in Schelesnodoroschnaja summieren
sich die Spezialisten im Ministerium für Landmaschinenbau zu
der angegebenen Anzahl von 27 Experten.
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